Zusammenfassung der Prävalenzstudie
Ziel der Prävalenzstudie war es festzustellen, wie groß der Anteil an Menschen ist, die unter Einsamkeit leiden und sich darüber hinaus ein Bild der globalen Prävalenz von Einsamkeit (vor / nach COVID) bei älteren Menschen zu machen. Ein besonderer geographischer Schwerpunkt lag dabei auf der Euregio Maas-Rhein (EMR). Wir nutzten für die Studie zwei Informationsquellen: (1) wissenschaftlich veröffentlichte Daten zur Kartierung der globalen Prävalenz; (2) Relevante Umfragedaten außerhalb von akademischen Veröffentlichungen, wie z.B. Berichte oder Regierungsdokumente, speziell aus der EMR. Wir haben Veröffentlichungen berücksichtigt, die zwischen 2016 und 2022 erschienen sind, bei denen die Bevölkerung zum Zeitpunkt der Erhebung mindestens 60 Jahre alt war und bei denen die Stichprobe ein Durchschnittsalter von mindestens 65 Jahren aufwies.
Aus den verfügbaren wissenschaftlichen Quellen wurden 37 Artikel ausgewählt. Die Ergebnisse zeigen, dass vor Beginn der COVID-19-Pandemie die Einsamkeit in Nigeria (46 %) am höchsten und in Australien (5 %) am niedrigsten eingeschätzt wurde (durchschnittliche Prävalenz von 25,6 %). In bestimmten Bevölkerungsgruppen (z. B. Menschen, die in bestimmten sozialen Gemeinschaften leben, wie z.B. Wohneinrichtungen für ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen) war die Einsamkeit den Berichten zufolge höher als in der Allgemeinbevölkerung (mittlere Prävalenzschätzungen von 47,8 %). Während der COVID-19-Pandemie war die Prävalenz von Einsamkeit höher als vor der Pandemie (mittlere Prävalenz von 39,4 %).
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Prävalenz von Einsamkeit zwischen den EMR-Ländern unterscheidet: Der geschätzte Anteil einsamer Menschen war in Deutschland im Vergleich zu Belgien und den Niederlanden am niedrigsten (7,5 – 7,9 %). In Belgien lag die Prävalenz bei den über 65-Jährigen zwischen 12 % und 15 %, in den Niederlanden war sie höher (32 % – 41 %). Während der COVID-19-Pandemie stieg der Anteil einsamer Personen in allen drei EMR-Ländern
(8,7 % – 22,1 % in Deutschland, 20 % – 22 % in Belgien und 44 % – 65 % in den Niederlanden).
Mehrere Hypothesen könnten diese Unterschiede zwischen den EMR-Ländern erklären: methodische Gründe (z. B. die zur Bewertung der Einsamkeit verwendeten Instrumente, die ausgewählte Bevölkerung, das Durchschnittsalter und der Zeitraum, in dem die Daten erhoben wurden); unterschiedliche soziokulturelle und historisch-politische Merkmale (z. B. Systeme der sozialen Sicherheit, Mobilität und Migrationsraten); demografische Zusammensetzung des Landes oder kulturelle Unterschiede bei den Beziehungserwartungen (wenn Alleinleben nicht die Norm ist, fühlen sich Singles eher einsam). Es überrascht nicht, dass die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen zu einer Zunahme von Einsamkeit geführt haben.
Interventionen gegen Einsamkeit und soziale Isolation – ein Überblick über die wissenschaftliche Literatur
Die potenziell negativen Auswirkungen von Einsamkeit und sozialer Isolation auf körperliche und geistige Gesundheit machen deutlich, wie wichtig es ist, wirksame Interventionen zu finden. Es ist außerdem notwendig, wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit solcher Interventionen zu ermitteln und zu verstehen. Darüber hinaus ist es wichtig, die zugrundeliegenden Mechanismen von nachweislich wirksamen Interventionen zu verstehen. Dies könnte als Grundlage für die Entwicklung neuer Interventionen dienen.
Daher wurde im Rahmen von euPrevent PROFILE eine systematische Literaturrecherche der wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Thema Interventionen gegen Einsamkeit und soziale Isolation durchgeführt. Diese Recherche wurde in drei wissenschaftlichen Datenbanken anhand vordefinierter Kriterien durchgeführt (z. B. Durchschnittsalter der Teilnehmer ≥65 Jahre). Insgesamt wurden 61 relevante Interventionen identifiziert und die Belege für ihre Wirksamkeit und die möglicherweise zugrunde liegenden Mechanismen zusammengefasst.
Welche Interventionen gibt es und sind sie wirksam?
In der untenstehenden Tabelle sind die Interventionstypen aufgeführt, die sich aus der systematischen Literaturanalyse ergeben haben. Eine quantitative Bewertung ihrer Wirksamkeit, bei der die Ergebnisse mehrerer Studien kombiniert wurden, deutet darauf hin, dass Interventionen, die auf Verringerung von Einsamkeit und sozialer Isolation abzielen, im Allgemeinen wirksam sind. Das Ausmaß dieses Effekts kann je nach Interventionstyp variieren.
Die Wirkung von Interventionen mit einer starken technologischen Komponente (d. h. Informations- und Kommunikationstechnologie und Hochtechnologie-Interventionen) war im Allgemeinen etwas geringer als die der anderen Interventionstypen. Im Allgemeinen gab es in mehreren Bereichen große Unterschiede zwischen den Interventionsstudien, z. B. wie Einsamkeit oder soziale Isolation bewertet wurden, welcher Gruppe die Studienteilnehmer angehörten
(z. B. geografische Region) oder wie lang und intensiv die Interventionen waren.
Welche Mechanismen können wirksamen Interventionen zugrunde liegen und was sind die praktischen Auswirkungen?
Die in der wissenschaftlichen Literatur ermittelten potenziellen Mechanismen, die wirksamen Maßnahmen gegen Einsamkeit und soziale Isolation zugrunde liegen wurden zusammengefasst und in drei Kategorien eingeteilt (siehe Abbildung Cluster).
Die erste Kategorie umfasst die Förderung und Bereitstellung von Möglichkeiten zum Knüpfen und zur Pflege sozialer Kontakte sowie die Schaffung von Voraussetzungen dafür, instrumentelle und emotionale soziale Unterstützung zu erhalten.
Die zweite Kategorie beschreibt die Erweiterung des Wissens über relevante Ressourcen in der Gesellschaft und die Förderung spezifischer Fähigkeiten (z. B. Nutzung von Technologie).
Die dritte Kategorie von Interventionsmechanismen beinhaltet die Beeinflussung kognitiver Prozesse im Zusammenhang mit sozialen Interaktionen. Hier geht es beispielsweise um die Förderung des Kontrollgefühls, die Verringerung sozialer Ängste oder die Veränderung der Einstellung gegenüber sozialer Unterstützung.